Arbeitslinie & Showlinie

Die Trennung zwischen Arbeitslinie und Showlinie beim Labrador Retriever

Munden Sentry *1900

Ch Orchardton Du Of Banchory *1944

Ch Sandylands Sovereign Of Suddie *1975

Ch Treasures Dario *2001

Die Diskussion über Vor- und Nachteile der Arbeits- und Schönheitslinien ist meist geprägt von Extremen und pauschalen Urteilen. Meiner Meinung nach sind solche Diskussionen wenig zielführend.

Der Labrador ist eine Hunderasse, die ursprünglich für eine ganz bestimmte Aufgabe gezüchtet wurde. Auch wenn er sich im Laufe der Zeit als hervorragender Blindenführhund und Familienhund etabliert hat, ist es für den Erhalt der Rasse besonders wichtig, jene typischen Eigenschaften zu bewahren und zu fördern, die ihn ursprünglich zu einem so beliebten Jagdhund gemacht haben.

Wenn wir also von seinem Ursprung als Jagdhund ausgehen, müssen zwei Fragen im Vordergrund stehen, um eine sinnvolle Diskussion zu führen:

  • Inwieweit können die ästhetischen Veränderungen der Schönheitslinie die jagdlichen Fähigkeiten beeinträchtigen?
  • Wenn die Zucht hauptsächlich auf das äußere Erscheinungsbild ausgerichtet ist, in welchem Maße können dadurch die für den Retriever typischen jagdlichen Eigenschaften (die auch im Standard festgelegt sind) verloren gehen?

Der Beginn des 20. Jahrhunderts

FTCh Flapper *1902
(Barnett's Stag x Bates Betsay)

DualCh Banchory Sunspeck *1917
(Ch Ilderton Ben x Dungavel Juniper)

DualCh Bramshaw Bob *1929
Cruft Best Show 1932 & 1933
(Ch Ingleston Ben x Bramshaw Brimble)

Im 19. Jahrhundert erkannten einige britische Adelige das besondere jagdliche Talent des Labradors und begannen mit seiner Zucht. Später wurden seine jagdlichen Fähigkeiten bei sogenannten Retriever Competitions und später bei Field Trials getestet. Ziel dieser Prüfungen war es, Eigenschaften wie Schussfestigkeit, Führigkeit, Such- und Bringtrieb zu überprüfen. Die konsequente Kontrolle dieser jagdlichen Fähigkeiten ermöglichte eine selektive Zucht, die sich auf die arbeitsbedingten Qualitäten dieser typischen Retriever-Rasse konzentrierte.

Mit der zunehmenden Beliebtheit dieser Rasse zeichnete sich auch eine Entwicklung ab, die zur Trennung in Arbeits- und Schönheitslinien führte. Um diesem Trend entgegenzuwirken, empfahl der britische Labrador Retriever Club den Züchtern, bei der Auswahl ihrer Hunde sowohl die Arbeitsleistung als auch ein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild zu berücksichtigen, um einen einheitlichen "Typ" – den sogenannten "Dual Purpose" Labrador – zu erhalten. Es bestand die Sorge, dass eine einseitige Ausrichtung in der Zucht unweigerlich zu einer Spaltung führen würde.

Diese Befürchtungen bestätigten sich im Laufe der Zeit, und die Trennung ließ sich nicht mehr aufhalten. Eine ähnliche Entwicklung betraf übrigens nicht nur den Labrador, sondern auch andere britische Jagdhunderassen in mehr oder weniger starkem Maße.

Während der Labrador zunächst vor allem von Adeligen und wohlhabenden Kreisen als Jagdhund geschätzt und gezielt weitergezüchtet wurde, verbreitete sich seine Beliebtheit nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in alle Bevölkerungsschichten. Der Labrador wurde zu einem der beliebtesten Ausstellungs- und Familienhunde, und mit seiner steigenden Popularität änderten sich auch die Zuchtziele und Prioritäten der einzelnen Züchter.

Dal 1946 al 1966

DualCh Knaith Banjo *1946
(Poppleton Golden Russet x Knaith Brilliantine)
Letzter Dual Champion in UK

Ch Sandylands Mark *1965
(Ch Reanacre Mallardhurn Thunder x Ch Sandylands Truth)

FTCh Palgrave Edward *1966
(FTCh & IR FTCh Sendhurst Sweep x Palgrave Glenfarg Tessa)

Die selektive Zucht der beiden Linien führte dazu, dass die Field Trial Labradors sowohl körperlich als auch geistig sehr leistungsfähig wurden, während bei vielen Show Labradors seit Generationen die jagdlichen Fähigkeiten und die damit verbundenen Eigenschaften nicht mehr kontrolliert wurden.

Züchter, die sich auf Ausstellungshunde konzentrierten, richteten ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Merkmale, die bei Shows als "ideal" galten – die Schönheitslinie (Show Labrador).

Züchter, die hingegen Labradors als Jagdhunde züchteten, legten größten Wert auf Arbeitsleistung, hohe Arbeitsbereitschaft und ein stabiles Wesen – die Arbeitslinie (Field Trial Labrador).

So geriet die ursprünglich angestrebte "Dual Purpose"-Philosophie immer mehr in den Hintergrund.

Wie bereits erwähnt, begann die Trennung zwischen Arbeits- und Schönheitslinie recht früh, auch wenn viele Labradors noch nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl bei Jagdprüfungen als auch bei Ausstellungen erfolgreich waren. In den Ahnentafeln der Labrador Retriever aus den 1950er und 1960er Jahren findet man häufig Schönheitschampions, die zugleich auch Field Trial Champions waren, und umgekehrt.

Bereits in den 1970er Jahren war es jedoch sehr schwierig, einen Schönheitschampion mit Field Trial Champions unter den Ahnen zu finden. In den meisten Fällen musste man sechs bis acht Generationen zurückgehen, um jagdliche Linien im Pedigree eines Show Labradors zu entdecken. Im Stammbaum des Schönheitschampions Sandylands Storm Along (*1974) fehlen zum Beispiel innerhalb von acht Generationen jegliche Field Trial Champions.

Field Trial Labrador

FTCh Theoweir Turramurra Teal *1988
(Ballyellery Adder x IR FTCh Towerline Swift)

Bengrave Michael Mols *1999
(FTCh Craighorn Bracken x Brindlebay Dawn)

FTCh Longcopse Bertie *2007
(FTCh Fernshot Comet x Leadburn Val Of Longcopse)

Show Labrador

Ch Kupros Master Mariner *1983
(Ch Carpenny Walpole x Ch Osofinas Quite As Nice)

Ch Lab Treasures Dario *2001
(FTCh Craighorn Bracken x Brindlebay Dawn)

Rocheby Step Ahead *2006
(Ch Silver Suede Over Rocheby x Rocheby Snow Orchid)

Ende der 1970er Jahre markierten der Schönheitschampion Sandylands Mark (*1965, Ch Reanacre Mallardhurn Thunder x Ch Sandylands Truth) und der Arbeitschampion Swinbrook Tan (*1970, FTCh Palgrave Edward x FTCh Beinnmhor Tide) den endgültigen Bruch: Auf der einen Seite wurden die Anforderungen an die Arbeitsleistung immer höher, auf der anderen Seite entwickelte sich ein Schönheitsstandard, der einen immer schwereren Typ bevorzugte und bei dem die typischen Arbeitseigenschaften kaum noch vorhanden waren.

Wenn wir heute die Frage stellen, was genau der Unterschied zwischen einem Labrador aus der Arbeitslinie und einem aus der Schönheitslinie ist, dann lautet die Antwort: Im ersten Fall besteht das Pedigree aus Labradors, die ihre jagdlichen Fähigkeiten in Field Trials unter Beweis gestellt haben. Im zweiten Fall finden sich im Pedigree Labradors, die Ausstellungserfolge vorweisen können.

Für eine seriöse Zucht ist eine genaue Analyse der Abstammung unerlässlich. Nur wenn die Arbeits- oder Ausstellungserfolge dokumentiert sind, lässt sich einigermaßen sicherstellen, dass die gewünschten Eigenschaften erhalten geblieben sind: Ruhe, weiches Maul, ausgeprägter Bringtrieb, "will to please" (die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Menschen), ausgeprägter Spürsinn sowie die charakterlichen Merkmale wie Anpassungsfähigkeit, starke Nerven und allgemeine Sicherheit. Diese Eigenschaften sollten bei einem Labrador – unabhängig von der Linie – immer im Vordergrund stehen. Ein Labrador, dem diese grundlegenden Merkmale fehlen, lässt sich kaum zu einem vielseitigen und leistungsfähigen Hund ausbilden.

Leider werden im Zusammenhang mit dem Begriff "Arbeitslinie" oft Missverständnisse verbreitet, indem man zum Beispiel Labradors mit einer leichten, manchmal disharmonischen Struktur als typische Arbeitslinie verkauft. Oder es werden besonders schüchterne, unterwürfige oder im Gegenteil hyperaktive und nervöse Hunde als "Field Trial Labrador" angeboten. Solche Darstellungen schaden dem Bild dieser intelligenten, nervenstarken und bewegungsfreudigen Hunde erheblich.

Geschrieben von Tanja Grygar, April 2011

(Für die historische Recherche habe ich folgende Quellen genutzt: The Labrador Retriever Club, Labrador Retriever (Rosemarie Wild), Kapitel "Zur Entwicklung des Field-Trial-Labradors")

In den Jahren nach der Abfassung dieses Artikels hat sich die Spaltung zwischen den beiden Linien sicherlich nicht verringert. Dennoch bleibt es wünschenswert, Labradors aus der Arbeitslinie zu züchten, die eine korrekte und funktionale Morphologie im Einklang mit dem Rassestandard bewahren.

Die Herausforderung liegt darin, Labrador Retriever zu züchten, die nicht nur durch Gesundheit, Robustheit und innere Ausgeglichenheit überzeugen, sondern auch die Tradition der Rasse bewahren – als verlässliche Partner bei der Arbeit und im täglichen Leben an der Seite des Menschen.

April 2025